„Raus.“ dachte ich mir und ging. Eigentlich ohne einen Plan zu haben, wo ich überhaupt hinwollte oder vielleicht auch ohne einen Plan zu haben, wovon ich weg wollte. Also bin ich losgelaufen. Einfach dahin, wo meine Füße mich hingetragen haben. Da waren Humperdinck und Humboldt. Es kamen und gingen Wagner und Kant. Dann Straßen, die mir fremd waren und Orte, an denen ich vorher noch nie gewesen war und zu denen ich wahrscheinlich auch nie wieder zurückfinden würde. Zeitweise war ich orientierungslos und bin trotzdem weitergegangen. Irgendwo kommt man immer an.
Also strich ich durch die Straßen und Gassen, nicht immer mit einem guten Gefühl im Bauch. Aber dennoch immer mit dem Drang, meinen Füßen zu folgen. Sah ich Leute auf meiner Straßenseite, wechselte ich sie, um nicht angesprochen zu werden. Nicht aus Unbehagen heraus – oder nicht nur – sondern einfach aus der Befürchtung, etwas sagen zu müssen, herausgerissen zu werden.
Manchmal macht man sich auf die Suche nach seinen Gedanken. Und dann hat man einen guten gefunden – weil er so wahr und in sich stimmig ist. Aber dann wartet man nur einen kleinen Augenblick zu lange und er verschwindet. Nicht wie eine Seifenblase, die zerplatzt. Sondern wie zäher, klebriger Brei. Er fließt einem durch die Finger. Zerrinnt. Krampfhaft versucht man ihn festzuhalten, krallt sich fest, um wenigstens einen halben Satz, wenigstens ein Wort zu behalten. Aber das Gewicht der Worte wiegt so schwer, dass es sie unweigerlich in die Tiefe zieht. Und man kann ihnen nur noch beim Fallen zusehen ohne von ihrer Bedeutung auch nur noch eine Ahnung zu haben. Dann sind sie weg.
Also bin ich losgegangen ohne an etwas zu denken. Ließ mir einfach den Wind um die Nase wehen. Ein paar Mal roch es nach Ostseeluft, dann mal nach Dreck, Müll und Pisse, dann so, wie die Luft kurz nach einem Sommerregen riecht.
Ich lief und lief und merkte irgendwann, dass nichts zu denken in manchen Situationen viel hilfreicher sein kann, als grübeln und endloses nachhaken.
Auf dem Marktplatz hielt ich kurz an – ließ mir den Wind um die Nase und durch den Kopf wehen. Ängste, Befürchtungen, Irrglauben und Zweifel wurden davon getragen. Nicht ganz, nicht gründlich, sondern nur sacht wie der erste Staub, den man wegpusten kann. Es war kein großes Reinemachen. Eher eine Katzenwäsche für die Seele.
Und dann war es ruhig in mir. Friedlich und gut.
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